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Bericht über die Chorreise
2005 nach Longwy
Nagold. Schon am Himmelfahrtstag, also wesentlich früher als gewöhnlich
begab sich die Evangelische Kantorei Nagold auf die alljährliche
Chorreise. Ziel war diesmal unsere Partnerstadt Longwy in Frankreich Schon
unterwegs wurde die Gelegenheit wahrgenommen, Metz, der Hauptstadt Lothringens,
einen Besuch abzustatten. Strahlend erklangen Kyrie und Gloria aus Dvoráks
Messe in D neben Werken von J. S. Bach, Bruckner, Mendelssohn und anderen
in der lichtdurchfluteten gewaltigen Stefanskathedrale mit den berühmten
Glasfenstern aus allen Jahrhunderten - u.a. auch von Marc Chagall. Nach
sachkundiger Dom- und Stadtführung wurde Longwy angesteuert.
Am nächsten Tag stand Nancy, die Residenzstadt des legendären
Herzogs Stanislaus Lesczynski, auf dem Programm. Jener, Schwiegervater
Ludwigs XV., war ein lebensfroher Genießer, der sich als wahrer
Wohltäter der Stadt und Lothringens erwies. Aus seiner Zeit stammt
neben dem barocken Regierungspalast auch die beeindruckende und eben erst
nach umfangreicher Renovierung wieder eingeweihte Place Stanislas. Nancy,
auch die Stadt des Jugendstils, bot uns neben ihren herrlichen Palästen,
Plätzen und Fußgängerzonen noch weitere Höhepunkte,
etwa bei Batt Chocolats, wo fasziniert die handwerkliche Fertigung von
Schokoladen-, Makronen- und Bergamotte-Köstlichkeiten bestaunt wurde.
Die angebotenen Kostproben waren so überzeugend, dass anschließend
ein wahrer Ansturm auf die vielerlei Köstlichkeiten stattfand. Ein
treffliches Mahl im Logis des France Remotel in Knutange rundete den erlebnisreichen
und gelungenen Tag ab.
Samstag, der 7. Mai brachte weitere Höhepunkte dieser Reise. Nach
dem Besuch der Abbaye d'Orval, einem Trappisten-Zisterzienserkloster in
Belgien und der gotischen Wallfahrtskirche in Avioth gab die Stadt Longwy
einen Empfang im Rathaus. Die Kantorei und Oberbürgermeister Dr.
Rainer Prewo, der anlässlich eines Partnerschaftsbesuchs zum achten
Mai in Longwy weilte, wurden von Bürgermeister Jean-Paul Durieux
und zahlreichen Honoratioren der Stadt herzlich begrüßt. Das
sich anschließende Chor- und Orgelkonzert in St. Dagobert geriet
zu einem echten Höhepunkt. Dvorák, Fauré, Bruckner,
Duruflé, Cornelius, Mendelssohn und Bach veranlassten die in großer
Zahl erschienenen Zuhörer zu wahren Beifallsstürmen. Der starke
Eindruck des Konzerts wurde durch Orgelwerke von César Franck und
Felix Mendelssohn-Bartholdy, von Kantor Stefan Skobowsky und Christoph
Kuppler meisterlich interpretiert, nachhaltig unterstrichen. Nach der
fälligen Zugabe mundete das reichlich späte Abendessen um so
trefflicher.
Nach dem beeindruckenden Messgottesdienst am Sonntag in St. Dagobert,
der vom örtlichen Kirchenchor und der Kantorei mitgestaltet wurde,
war es schon wieder Zeit, an den Abschied zu denken. Beim gemeinsamen
Mittagessen mit den französischen Freunden in der Mensa der Techn.
Universität ging es dann entspannt und locker zu. Der Abschied war
freundschaftlich und herzlich. Ein kleiner Wermutstropfen bei dieser von
Hans Joß und Judy Bruckner hervorragend organisierten und rundherum
wohlgelungenen Chorreise waren die nicht sehr erbaulichen Wetterverhältnisse.
Die Sonne zeigte sich zaghaft erst wieder bei der Heimfahrt. Dem guten
Geist des Chores und der guten Laune tat das Wetter jedoch keinen Abbruch.
Wolfgang Fezer
... und für
die Insider noch die persönlichen Eindrücke von K.-H. Becker
Da schweben wir ja schon unter Markus´ Fittichen nach Westen,
der einladenden Bergkette des Pfälzer Waldes entgegen, dessen Hänge
der Frühling jetzt liebevoll mit den Farben dieser herrlichen Jahreszeit
dekoriert hat. Die Trikolore des Lenzes weht uns lebensbejahend entgegen:
Rosa, weiß und gelb. Rosa leuchten die Mandelbäume, weiß
die Birnen und gelb die Goldglöckchen. -. Durch einen Tunnel gelangen
wir in das geheimnisvolle Innere des Waldgebietes. Auf steilem Fels erhebt
sich die Reichsburg Trifels. Hier war Richard Löwenherz von England
gefangen, hier wurden die Reichskleinodien sicher bewahrt ! - In großem
Bogen zieht sich die Straße in engem Tal um diesen historischen
Ort herum. Ehrfürchtig fast ! - Schon wieder kommen wir an einen
geschichtsträchtigen Platz. Rinnthal. Wer scharf aufpasst, kann für
Sekunden die Gedenktafel an der B 10 erspähen, wo der Schlacht zwischen
preußischen Truppen und badischen Aufständischen gedacht wird.
- Hier, im Westen des Reichs, geht es geruhsam zu. Wir haben Zeit, die
schöne aber arme Gegend zu betrachten. Aus den Wäldern erheben
sich Sandsteintürme, die wie Wächter die Umgebung abzutasten
scheinen. Ursprünglich waren sie rot, aber der Kontakt mit Wasser
und Luft hat ihnen Oxidationsfarben aufgelegt. Dort aber, wo der Bau der
neuen B10 tiefe Wunden in die Erde geschlagen hat, strahlt der Boden der
Pfalz in fantastischen Farben, von denen der Bryce Canon in Amerika durchaus
noch lernen könnte. - Bis jetzt sind wir seit Landau dem Tal der
Queich gefolgt, haben die Weinstraße passiert, die Haardt durchquert
und uns der immer düsterer werdenden Enge angepasst. Aber jetzt sind
wir über den Pass und folgen dem sich stetig weiter öffnenden
Tal der Rodalb. Da strahlt schon das Residenzschloss von Zweibrücken,
und bald winken uns die Türme der wunderschönen Stadt Saarbrücken
zu. -
Siebzig Eimer Kraftstoff hatten wir bei der Abfahrt in den Tanks. Mancher
Eimer Diesel ist nun schon verbraucht, als wir über die Autoroute
nach Metz preschen. ( Fahrn wir Autoroute, ruht Ruth ! ) Der nicht mehr
ganz junge Selbstzünder des MAN*-Busses aber hat sich so richtig
warm gelaufen, und in seinem sonoren Arbeitston ( so klingt der Westbass
nach einem Viertele ! ) hört der Kenner, dass er die schöne
alte französische Melodie des Liedes EN PASSANT PAR LA LORRAINE singt:
En passant par la Lorraine avec mes sabots, rencontrai trois capitaines
avec mes sabots dondaine, avec mes sabots. -
Merke: Diesel sind frankophil. Madame Hardi summt es bereits mit, und
da tauchen die Zinnen von Metz auf. Wir haben unser Etappenziel erreicht.
- In kleinen Gruppen nehmen wir die Stadt in Besitz. Das Wetter ist n
o c h knipsfreundlich, aber die Luft ist deutlich arktischen Ursprungs,
und wir winden die Schals fester. Nicht dass es uns die Laune verdürbe
! Die meisten von uns gehören ja der Bruderschaft der Chofagés
** an, die man nicht mit dem französischen chauffage *** verwechseln
darf, nach der wir uns allerdings oftmals sehnen !! - In gewiefter Routine
hat das PKK ( Podest-Kommando der Kantorei, frz. ÉPIP = Équipe
pour Installation des Paliers ) dem Chor den Standort geebnet, und als
wir unseren Platz einnehmen, da scheint tatsächlich die Sonne und
lässt die wunderbare Rosette in schier überirdischer Schönheit
erstrahlen. St. Etienne umhüllt und schützt uns, und St. Etienne
und St. Christoph dirigieren und orgeln, und es wird ein Konzert, das
nach den Strapazen der Anreise nicht besser hätte sein können.
Die Kantoren machen uns ein erstes Geschenk, als sie den himmlisch schönen
Nachhall des Stefansdomes bei den langsamen Stücken fermatiös
ausnutzen, und vor uns flüstert Elvira der Dorothee zu : Das haut
doch den stärksten Eskimo vom Schlitten ! - Die ansehnliche Zuhörerschaft
spendet herzlichen Beifall, viele applaudieren stehend und geben uns einen
ersten Vorgeschmack auf die Welle der Gastfreundschaft, die uns in Lothringen
inmitten von Wellen polarer Meeresluft wärmen und verwöhnen
wird. - UND DANN KOMMT MARIE - LAURENCE BOUTON. Mit ihrem vorwitzigen
Sprungschanzennäschen, den sprechenden Händen und Fingern und
hellwachen Augen weiht sie uns in die baulichen Bedeutsamkeiten des Domes
und der Stadt ein. Die Liebenswürdigkeit dieses zierlichen Persönchens
lässt sogar den neoromanischen Ernst des riesigen in deutscher Zeit
gebauten Bahnhofes in - frei nach Heinrich Heine - "französisch
heitrem Tageslicht" erstrahlen. Bass und Tenor, Alt - und selbst
der etwas wählerische Sopran - schließen Marie-Laurence sofort
in ihr Sängerherz ein und werden sie und die schöne Stadt Metz
in allerbester Erinnerung behalten. - Und schon sind wir wieder en passant
par la Lorraine auf dem Weg nach Longwy. Am Wegesrand leuchtet das Hotel
Mercure. Die Leiwifrei Judy **** schließt das Programm des Senders
TFT ***** und entlässt uns in die Abenteuerlichkeit eines lothringischen
Hotelabends. - Schnell sind die Koffer geleert, das Gepäck verstaut,
und schon weihen wir den Anbau des MERCURE als erste Gäste ein. -
Wir tafeln, dass die Heide wackelt. Hilde probiert den edlen Roten und
nickt Uschi begeistert zu: Mon cher cigne, der kann sich sehen lassen!
Die Augen der Frauen leuchten blau, rehbraun und türkis. ( Wer weiß,
welche Sängerin jadegrüne Augen hat? Postkarte an Judy genügt.
Preis winkt !! ) Der ehrliche Wein aus Narbonne färbt Lippen und
Wangen rot, die von Lothringen arrangierte R(h)apsodie schickt ihr flammendes
Gelb durch die großen Fenster des Speisesaales, und so wird es doch
noch ein echter Bunter Abend! - Durch die Wände zum Nachbarzimmer
höre ich noch kurz vor dem Einschlafen diese schon vom Schlummer
umgarnten Worte: Wir kamen SANS SOUCIS À LONGWY, denn Markus war
unser ANGE GARDIEN ! Gut gesprochen, liebe Sangesschwester ! - Fröhliche
Wortkaskaden weisen den Weg zum Frühstück. Immer wieder ertönt
aus dem deutschen Wortgetümmel der Ruf MON CHER CIGNE ! Jawohl, mit
Recht wird der hervorragende französisch schwarze Kaffee gelobt,
das Müsli ist über die Maßen gut, und der Quark kann seinesgleichen
suchen von Immersatt (1) bis Cognac (2). Ganz zu schweigen von den Croissants
und Brioches. Wieder einmal bewahrheitet sich der Spruch von Peter Bamm:
An den Frühstückstisch treten heißt ein neues Leben beginnen.
- Das neue Leben beginnt mit Startschwierigkeiten. Der Bus will nicht.
Aber so gegen 12 Uhr haben wir bereits ein Rendez-vous mit unserer schönen
alten Freundin, der jungen Mademoiselle Moselle, die uns ohne Umschweife
an Diedenhofen und Metz vorbei nach Nancy führt.
Und wieder schwärmen wir aus und nehmen den Place Stanislas, der
in diesem Jahr 250 Jahre alt wird und zum Weltkulturerbe gehört,
und große Teile der Stadt in Besitz. An den Theken Nancys bilden
sich überall kleine Gruppen Nagolder Sänger. Unsere wird von
Hans-Jürgen zielsicher und pünktlich zur Patisserie des Monsieur
Alain Batt geführt, wo wir, Not macht sensibel, sofort wieder eine
Schlange an der werkseigenen Toilette bilden. - Wie in einem Hörsaal
gestaffelt sitzen wir und können nun genauestens verfolgen, was der
Maître in seinem Laboratorium (laboratoire) zeigt. Zunächst
stellt er eine Spezialität aus Nancy her, die Makronen, für
deren Herstellung auch die SOEURS MACRONS verantwortlich sind. Nun führt
er uns in die Herstellung der Schokolade ein, verarbeitet diesen Grundstoff
und lässt unter seinen geschickten und sachkundigen Händen Meisterwerke
aller Art entstehen. Er spricht dabei laut und gut gelaunt, und Monsieur
Ulm, der in Calw aufgewachsen ist und dann zwölf Jahre lang beim
Verkehrsamt in Freiburg gearbeitet hat, übersetzt seine Rede fröhlich
und wortgewandt, so dass es uns niemals langweilig wird. Natürlich
müssen wir von allen Erzeugnissen aus Meisterhand probieren, und
man kann bei soviel Entgegenkommen und Freundlichkeit schlecht nein sagen.
Es schmeckt alles ausgezeichnet und ist so süüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüß.
Ganz klar, dass wir uns anschließend im Laden des Laboratoriums
umsehen und schwer beladen mit Köstlichkeiten aller Art zur Stadtführung
aufbrechen. - Während wir auf die sich langsam abbauende "Kloster"schlange
warten, amüsiere ich mich über die unterschiedlichen Bedeutungen
der in beiden Sprachen benutzten Wörter. Ein Laboratorium hat in
Deutschland eine ganz andere Bedeutung. Hingegen nennen die französischen
Eisenbahnen ihre Betriebswerke, in denen tonnenschwere Kolosse mit viel
Lärm repariert werden, Atelier!! -
Abmarsch in die Stadt. Wir tragen unsere Regenschirme wie John Wayne seine
Winchester, denn der Himmel verspricht nichts Gutes. Monsieur Ulm teilt
die MAN in zwei Abteilungen auf. Die linke Busseite geht mit Marie-Hélène,
und wir wandern nun mit Herrn Ulm über den Stanislas-Platz, durch
die Altstadt von Nancy und die wunderbaren Parkanlagen der Pépinière
. Kaum aber haben wir den goldenen Platz verlassen, da bricht es über
uns herein wie die Sintflut. Glücklicherweise finden wir die Marquise
eines Geschäftes, die uns im Verein mir unseren aufgespannten Schirmen
vor dem Schlimmsten bewahrt. Marie-Hélène flüchtet
mit ihrer Schar unter eine Art Triumphbogen, durch den alsbald ein reißender
Bach fließt. Aber schon scheint wieder die Sonne, und im Parc de
la Pépinière atmen wir beglückt die durch Pflanzenduft
gewürzte frische Meeresluft ein. -
Im MAN-Bus sitzen jetzt die MAN und dampfen, denn die feuchten Kleider
und Schuhe geben ihre Nässe an die Luft zurück. Es ist die große
Zeit der Klimaanlage, und sie braucht die gesamte Fahrzeit bis zum Remotel
in Knutange bei Thionville, um die Regenreste zu entsorgen. Das Gasthaus
in Knutange ist eine gemütliche und gepflegte alte Wirtschaft, wo
wir uns sehr wohl fühlen und den aufregenden Tag ausklingen lassen.
Elisabeth schenkt mir wieder ein und zitiert einen Spruch aus der Literatur:
Es wohnt ein guter Geist im Wein, drum hör´ nicht auf, schenk
wieder ein (Mansfeld). Schon in der warmen Koje im Mercure, summt mancher
Sänger noch kurz vor dem Abtauchen in die Traumwelt: Dans le vent
de France il fait bon chanter.
Es ist Samstag, der 7. Mai. Heute kommt Marie Christine an Bord. Madame
Fagnot ist unsere Führerin auf dem Weg zur Abbaye d´ Orval
und zur Wallfahrtskirche von Avioth. Mehrmals kreuzen wir heute die Grenzen
zwischen Frankreich und Belgien. Eine eigenartige Landschaft zieht an
unseren Fenstern vorbei. Manchmal sehen wir sanfthügeliges Weideland,
manchmal aber kurven wir auch durch laubbaumbewachsenes kurzkuppiges Hügelgebiet,
das an den Apennin oder die Toskana erinnert. Aber das belgische Wetter
bringt uns auf den Boden der Realität zurück: Das ist westeuropäisches
Meeresklima!! Sans doute !! - Ich höre, wie Ines Brigitte ein Wort
von Jean-Paul II vorliest. Weil es schön ist, merke ich es mir: En
Dieu tout est toujours nouveau, car Dieu est éternelle jeunesse.
- In der Abbaye d´ Orval sehen wir zunächst einen sehr gut
gemachten Film über das Kloster, und dann übernimmt MONA die
Führung der MAN. Mona ist in Prag geboren und spricht ein Deutsch,
da würden die Sachsen sagen: Da zieht´s dir fast die Beene
weg! Ein Beispiel: Wenn Sie die Nase herum reichen, dann können Sie
rauchen, weil heute Bier gekocht wird! - Wir freuen uns über ihre
sympathische Art, und es ist immerhin alles gut verständlich. Interessant
ist auch der Gang durch den Heilkräutergarten, der im zweisprachigen
Belgien natürlich auch flämisch beschriftet ist. Das Flämisch
ist dem Niederdeutschen so eng verwandt, dass ich mich mit Flamen verständigen
kann. Wir finden im Heilkräutergarten das Duizendblat (Tausendblatt
), das ist der flämische Name für die Schafgarbe, dann den Bijvoet
( Beifuß ) und das Vingerhoetkruid, den Fingerhut. Dies ist ein
wirklich gut gepflegter und eben auch sprachlich spannender Kräutergarten.
Mona berichtet von dem guten Wasser des Klosters, mit dem sie das Bier
"kochen", von den Verwüstungen und Zerstörungen, denen
das Kloster durch die Revolution ausgesetzt war, und rühmt den bekannten
Käse von Orval. - Voller vieler neuer Eindrücke legen wir den
kurzen Weg bis zu unserem Schutzengel, der Wirtschaft "L´ange
gardien", mit dem gleichen besorgten Blick zurück, den wir uns
1945 alle angewöhnt hatten, als wir auf die Flucht gingen. Damals
galt er den Tieffliegern, heute den tief fliegenden blauschwarzen Wolken.
Und richtig!! Kaum sind wir unter Dach und Fach, da öffnet der Himmel
seine Schleusen und wahre "Stromfluten" stürzen sich in
das "goldene Tal". Ein großes Infrarotheizgerät unter
dem Zeltdach sorgt für Wärme, und wir rücken zusammen und
fühlen uns so wohl, wie es das Lied von der blauen Blume beschreibt:
Und glüht unser Feuer an gastlicher Statt, so sind wir geborgen und
schmausen uns satt." Ich bestelle eine Schüssel FLORIFLETTE.
Das ist ein Gericht mit eingetragenem Warenzeichen, also dem R im Kreis,
und wird mit dem Bier von Orval und dem Käse von Orval hergestellt,
also ein Gratin mit Pfiff. So sitzen wir nun gemütlich bei hanebüchenem
Wetter in der Auberge de l´ange gardien und heben unser Glas auf
alle die Sangesgeschwister, die bei dieser Fahrt nicht dabei sein konnten,
besonders aber an Hans vom Ostbass, der mit in der Équipe war,
die diese Wasserreise erst ermöglicht hat.-
Der erste Wegweiser auf der Heimfahrt belehrt uns, dass die Stadt Bouillon
nur 44 km entfernt ist. ( Wussten Sie, dass Gottfried von Bouillon lebte
? )
Das Mercure zu Longwy hat ein Abendessen vorbereitet, dass sich die Tische
biegen. Der Wirt spart nicht mit dem edlen Roten von Narbonne, die Stimmung
steigt, und erst am frühen Morgen hauen wir uns aufs Ohr und schlafen
so gut und fest, dass ein Auge das andere nicht sieht. - Dröhnende
Paukenschläge werfen uns aus den Federn. Ach ja, heute ist der achte
Mai. Das offizielle Frankreich spricht von armistice, von Waffenstillstand.
Und so war es ja auch. Die Wehrmacht hat kapituliert, nicht das Reich
! - Letztmals genießen wir in vollen Zügen den kohlpechschwarzen
wohlschmeckenden französischen Kaffee und unterhalten uns über
die herrliche Architektur der Basilique NOTRE DAME D´AVIOTH in der
Nähe von Orval. Vor Ort hatten wir nicht sprechen können, denn
das Klappern unserer Zähne gestattete keine Diskussion. Selbst die
Spatzen von Avioth duckten sich ängstlich in ihren Nestern, die sie
zwischen den Statuen der Westwand in bekannt nachlässiger Art zusammengekloppt
hatten, wenn der steife Nordwest wieder einmal seine Reiter mit Karacho
nach Osten jagen ließ. -
Und natürlich war unser Konzert vom Vorabend in aller Munde. Es begann
schon so festlich in der Halle des Rathauses von Longwy mit dem Empfang
durch die Stadt. Die Reden der Bürgermeister, die kalten Platten,
die liebenswürdige Bedienung!! - Diese gepflegte Eleganz!! Kann man
sich schönere Frauen vorstellen als unseren Alt und Sopran in den
festlichen Kleidern ? Schwerlich. Da hatte Monsieur le chantre seine liebe
Mühe, dass die Männer auch immer aufmerksam dem Dirigat folgten.
- Der Bürgermeister hatte es schon versprochen: Wir werden heute
alle bei Ihrem Konzert sein. - Und so war es. Selbst Serge von MUSICA
VIVA war dabei. Das Publikum strahlte eine Herzlichkeit aus, eine Fröhlichkeit,
die sich, wir sind ja nicht aus Stein, wie die süßesten Pralinen
von Alain Batt um unsere Seelen und Herzen wickelte. So lange die Musik
solche herzlichen Bande knüpfen kann, ist mir, wenigstens um unsere
beiden Völker, nicht bang. Keinem unserer Buben darf jemals wieder
geschehen, was das alte Soldatenlied beschreibt: Zwei Brüder und
zwei Herzen begrüßten Tau und Tag, bis abends purpurfarben
bei Longwy in den Garben die Fahne "Amen" sprach. - Wir sangen
in St. Dagobert so ausdrucksstark, als wenn wir um die wichtige Mission
der Musik wüssten. Die D-Dur-Messe von Dvorák gelang uns ohne
Haken, bei der Cantique de Racine von Fauré hat wohl jeder Zuhörer
den Text verstanden, und bei der letzten Strophe wird manchem - genau
wie uns - ein Schauer über den Rücken gegangen sein: O Christus,
sei diesem treuen Volk gewogen, das nun zu Deinem Lobe versammelt ist;
nimm die Lieder an, die es zu Deinem unsterblichen Ruhm darbringt; und
möge es zurückkehren, erfüllt von Deinen Gaben. - Auch
bei Bruckners ( er ist n i c h t mit Judy verwandt ! ) Locus iste hätte
man eine Stecknadel zu Boden fallen hören können. Kein Wunder
bei diesem Text: Diese Stätte ist von Gott gemacht, ein unergründliches
Geheimnis, kein Makel ist an ihr. - Doch dann gelingt uns mit Hilfe der
liebevollen französischen Gemeinde der Befreiungsschlag, und mit
der Stimmgewalt Wagnerscher Fanfaren rufen wir JAUCHZET DEM HERRN ALLE
WELT, dass die frisch gewaschene Fassade St. Dagoberts , die die gleichen
Kampfspuren aufweist wie die Nagolder Stadtkirche, vor Freude zittert
und bebt, und wir beschließen das denkwürdige Konzert - die
Freunde aus Longwy erbitten eine Zugabe - mit der tröstenden Gewissheit
............denn der Herr ist freundlich. -
Noch eine Tasse gut mundenden französischen Kaffees, und auf geht
es zu St. Dagobert. Wir jubeln das WORTKLÄNGE - Hallelujah, genießen
noch einmal die Gemeinschaft mit den Freunden aus der Lorraine und nehmen
dann herzlichen Abschied mit dem Versprechen: À bientôt à
Nagold!! - Die Mensa der Hochschule hat für uns ein reichhaltiges
Abschiedsmahl bereitet, das wir zusammen mit den Vertretern der Stadt
Longwy einnehmen, und unsere Herzen schlagen im Takt dieses Rundgesanges:
Pour ce repas, pour toute joie nous te louons, Seigneur ! ( Für diese
Mahlzeit, für alle Freude danken wir dir, Herr !! ) - Der MBB (3)
fegt nach Osten. Wir verlassen den roten Stein der Schwarzwaldschwester
Vogesen, preschen durch die Saverner Senke, umrunden Straßburg,
keuchen den Schwarzwald hinauf, hauen uns alsbald in die heimatlichen
Betten, und mancher murmelt noch, schon fast im Schlaf: Vive l´amitié
franco-allemande. - Merci, o Vorbereitungséquipe, merci, o Monsieur
le chantre, es war eine wunderschöne Fahrt. Adieu sagt euer aFuCuSte
* = Musiker aus Nagold
** =Chorfahrtgestählte Sänger
*** =Heizung
**** =Leiterin des Referats Winke für Reisende
***** =Tipps für Touris
(1) =Ort bei Nimmersatt
(2) =Ort in Südfrankreich
(3) =Markus-Behr-Bus
Bilder von der Chorreise 2005
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